Oktatói Hálózat

Ungarn kehrt Europa den Rücken zu 2. Vorwort

Mit diesem Band setzen wir unseren Bericht „Hungary Turns its Back on Europe“

[Ungarn kehrt Europa den Rücken zu] fort. Der im Herbst 2019 fertiggestellte und im Januar 2020 veröffentlichte erste Bericht wurde ebenfalls „von unabhängigen ungarischen Intellektuellen zusammengestellt, um die ungarische und internationale Öffentlichkeit sowie die europäischen Institutionen darüber in Kenntnis zu setzen, welche gravierende Schäden die Regierungen Orbáns seit 2010 auf dem Gebiet der Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien verursacht haben.“[1]

Der Grund für die Fortsetzung unserer Arbeit ist, dass sich die Situation in Ungarn in der Zwischenzeit verschlimmert hat: die autoritären Züge des Orbán-Regimes haben sich noch weiter verstärkt, der Abbau der Rechtsstaatlichkeit wurde fortgesetzt, der „Kulturkampf“ seitens der Regierung hat sich beschleunigt und wirkt im Kulturbereich zunehmend destruktiv.

Es ist unsere gemeinsame Erfahrung, daß Ungarn, mit Nutzung von Fördergeldern der Europäischen Union, eine offen anti-europäische Autokratie des 21. Jahrhunderts errichtet hat. Diese hat den Staat gefangen genommen, die für das rechtsstaatliche Funktionieren der demokratischen Institutionen unerlässlichen Kontrollen und Gegenkontrollen in leere Hüllen verwandelt, die Medien übernommen und Korruption systemisch gemacht.

Allerdings zeigt das Orbán-Regime in letzter Zeit Anzeichen für eine Erosion. Die Fidesz-Partei ist innerhalb der Europäischen Union isoliert, und wird von der neu erwachten Opposition im eigenen Land unter Druck gesetzt. Die bevorstehenden Parlamentswahlen am 3.4. 2022 werden voraussichtlich knapp ausfallen, was die Regierung zu zunehmend skrupelloseren und unverantwortlicheren Maßnahmen veranlassen wird. Die vielleicht wichtigste Entwicklung der letzten zwei Jahre war die Errichtung eines Parallelstaates durch Fidesz, der es ermöglicht, selbst im Falle einer Wahlniederlage bestimmte Bereiche zu kontrollieren.

Die Schlüsselinstrumente für die Übertragung von Macht sind die neuen Stiftungen – tatsächlich handelt es sich um Treuhandgesellschaften, ausgestattet mit öffentlichen Funktionen[2] – in welche die Regierung derzeit öffentliche Gelder und Güter in verblüffender Höhe fließen lässt.

Die zunehmende militaristische Rhetorik der Regierungspropaganda, die geheime Überwachung und Verleumdung der Opposition durch erfundene Korruptionsvorwürfe sind wohl der Angst vor Machtverlust zuzuschreiben.

Im zweiten Teil unseres Berichts versuchen wir, einerseits die Geschehnisse der letzten zwei Jahre zusammenzufassen, andererseits ergänzen wir unsere frühere Darstellung um die Bereiche, die wir in unserer ersten Analyse noch nicht erfasst haben.

So widmen wir uns bespielsweise in einem separaten Gender- Kapitel der Frauenpolitik des Orbán-Regimes und der dramatischen Verschlechterung der Situation von LGBTQI-Personen. Auch der Wiederverflechtung von Kirche und Staat und den Kontroversen über den Umgang der Regierung mit der Covid-Epidemie sind jeweils eigene Kapitel gewidmet.

In dem Kapitel zum Bildungswesen befassen wir uns diesmal, neben den Veränderungen der letzten zwei Jahre im öffentlichen Schul- und Hochschulwesen, auch mit den Entwicklungen in der Berufs- und Erwachsenenbildung seit 2010. Das der Wissenschaft gewidmete Kapitel konzentriert sich auf das Thema Innovation. Auch dieses Mal ist Vollständigkeit nicht unser Ziel, wir versuchen, die Entwicklungen zusammenzufassen und uns auf die wesentlichsten Themen zu fokussieren.

Dieser Bericht wurde, wie bereits der vorherige, von Forschenden, Akademiker*innen und Berufstätigen, die in den betreffenden Bereichen arbeiten, verfasst. Viele von ihnen sind auch in zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiv.

Folgende zivilgesellschaftliche – und Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) waren an der Erstellung des Textes beteiligt:

Hungarian Academy Staff Forum (Akadémiai Dolgozók Fóruma), Civil Platform for Public Education (Civil Közoktatási Platform), Eötvös Károly Policy Institute (Eötvös Károly Közpolitikai Intézet), FreeSZFE Society (Freeszfe Egyesület), Mertek Media Monitor (Mérték Médiaelemző Műhely), Association for Historic Building Conservation (Régi Épületek Kutatóinak Egyesülete), Stadium 28 Circle (Stádium 28 Kör), Society of Hungarian Authors (Szépírók Társasága).

Die Arbeiten wurden vom Ungarischen Dozentinnennetzwerk initiiert und koordiniert (Oktatói Hálózat).

Wir möchten auch all denjenigen danken, die für die Veröffentlichung dieser Publikation gespendet haben. Unser besonderer Dank geht an die Marion Dönhoff Stiftung, die zwei unserer Autoren mit Stipendien unterstützt hat.

 

[1] https://oktatoihalozat.hu/ungarn-kehrt-europa-den-rucken-zu-abbau-von-kultur-bildung-wissenschaft-und-medien-2010-2019/

[2] Öffentliche Aufgaben verrichtende vermögensverwaltende Stiftungen von öffentlichem Interesse